Zeremonie für Ziege und Mensch

Unser letzter Tag in Limithana startete mit der hoffnungsvollen Frage der Lehrer*innen, ob wir nicht am Nachmittag nach der Zeremonie noch „kurz“ ein bisschen Sightseeing in Kushma und Umgebung machen möchten. Wir lehnten vorausschauend ab, da wir etwas Verzögerung bei der für 13:00 Uhr geplanten Zeremonie befürchteten, unsere Finanzen noch prüfen wollten und packen mussten. Das war für alle etwas enttäuschend. Aber gut, dann eben nettes Beisammensein mit vielen Snacks (und auch etwas ernsteren Gesprächen) am Nachmittag im Schulhof.

Wenn man es genau nimmt, startete die Projektarbeit an diesem Tag sogar schon vor dieser Frage, denn die Metalllieferung für die Gewächshäuser kam per Traktor  noch während wir schliefen. Auch der Schreiner war bereits um 7 Uhr da, um seinen Lohn für das neue Bücherregal (Bibliotheksersatz in der kleinen Versammlungshalle) abzuholen. Er hatte es während unseres Aufenthalts aus Holz gebaut und gestrichen. Gita vertröstete ihn auf den Abend.

Kurz nachdem wir dann wach waren, kamen schon die ersten beiden Ziegen mit ihrem vorherigen Besitzer, der ihnen noch ein schattiges Warteplätzchen mit frischen Snacks zurechtmachte bevor er die beiden mit einem Luftkuss verabschiedete. Die beiden Ziegen haben ihm noch kurz etwas hinterher getrauert, sich dann aber schnell beruhigt. Die weiteren Ziegen kamen mit dem Jeep um 13:00 Uhr. Sie kamen aber nicht mehr bis zum Schulhof durch, da kurz vorher ein Traktor Sand, wie bestellt, geliefert worden war. Heißt: mitten im Eingang zum Schulhof lag nun ein großer Berg Sand für die Renovierungsarbeiten bereit. Tja, wenn man keine konkreten Angaben macht, dann kann das so enden.

Gegen 13:45 Uhr waren alle Ziegen im Hof angepflockt und für die Verlosung nummeriert. Die Kinder hatten ihren Spaß, die Ziegen in Zaum zu halten. Damit konnte dann jedenfalls die Zeremonie starten. Der Dorfrat war zusammen mit uns auf der Bühne versammelt. Erstmal wurden wir alle mit Tikka begrüßt, dann gab es Tikka und Blumen für Gott und dann gingen die Reden los. Im Publikum saßen die zukünftigen Ziegenhalter*innen, Schulpatenschaftskinder, Gewächshausnutzer*innen und wer sonst noch in die Halle passte. Auch wir mussten jeweils eine kleine Rede halten, der Bürgermeister sprach, Gita und Dipendra, eine Dorfrätin…

Wir bekamen zwei Dankesbriefe überreicht, in denen auch explizit allen Spender*innen gedankt wurde (DANKE an euch - wir haben es immer wieder in unseren Reden betont, dass es ohne euch nicht ginge!). Wir waren so froh, dass es nur Dankesbriefe waren, und keine großen Holztafeln, wie sonst immer. Wir hatten uns zu früh gefreut. Denn dann kam ein nachträgliches Hochzeitsgeschenk (hätten wir bloß nichts gesagt!!): ein kleiner Schrein und zwei Plastikblumensträuße. In unseren Köpfen ratterte es: Wie soll das denn mit nach Hause? Wir nahmen es dankend an. Später fragten wir, ob wir das vielleicht im Gästezimmer aufhängen dürfen…. Die Ziegenverlosung verlief reibungslos und alle schienen sehr sehr glücklich zu sein.

Der Nachmittag war nahezu ruhig. Abrechnen, unsere Pacht für das Feld der Gewächshäuser und den Schreiner zahlen, Essen, Teetrinken, Reden. Wir besprachen noch die Arbeiten in näherer Zukunft. Es machte sich ein Gefühl der Ausgelassenheit breit. Wir alle fühlten uns ein bisschen befreit, nach den doch recht stressigen Tagen.

Am Morgen des 1.5. brachen wir um 7 Uhr mit dem Jeep nach Pokhara auf (auch im Gepäck: ein bisschen Magen-Darm-Probleme, denn ganz ohne wäre ja auch langweilig). Die Frauenvertreterin sowie die Frauen, die eine Ziege bekommen hatten, kamen nochmal zur Verabschiedung.

 


Tikka, Blumen, Essen für die Fahrt. Wir traten gerührt unseren Heimweg an. Die Gastfreundschaft ist für uns jedes Mal wieder überwältigend.

Von Shop zu Shop in Kushma

Heute ging es für uns auf dem Motorrad in die nächstgelegene Stadt Kushma. Wir hatten die große Ehre, Dipendras Yamaha ausleihen zu dürfen und konnten uns so recht rasch - on- und off-road - über die Hügel schwingen.


Nach einem Frühstück im Motel des Englischlehrers Shishir, der im Nachbardorf wohnt, fuhren wir mit ihm und Gita in der Motorrad-Kolonne zum ersten Stopp in Kushma: ein Plastik-Handelsgeschäft, in dem wir die Plane für drei Gewächshäuser kaufen beziehungsweise bestellen wollten. Das Ganze hat dann doch etwas gedauert, denn die Maße für die Plane waren unklar und wir mussten immer wieder betonen, dass eine Plane in der Größe der Grundfläche nicht reichen wird, wenn man sie über Bögen an Metall spannen möchte. Nach ein bisschen Verhandeln, dem Abwiegen von Wasserschläuchen und einem Anruf beim Vorlieferanten in Indien hatten wir es 
dann.

Shishir wollte Gita dann kurz zu einem Arzttermin bringen und 15 Minuten später wieder da sein. Wir sollten im Shop warten. Wir meinten, wir trinken kurz nebenan etwas und warten. Zwei Stunden später waren sie wieder da. Wir haben die letzten 20 Minuten mit Tee im Plastikladen gehockt und dort gewartet. Ja, man übt sich sehr in Geduld hier…

Danach haben wir einen kleinen Einkaufsmarathon hingelegt:

Whiteboards, einen neuen Volleyball und Fußball für die Pause, Stoffe für Schuluniformen, Schuhe für diejenigen, die keine haben und Metall für die Gewächshäuser. Letzteres hat vor allem Mica einiges abverlangt, da trotz aller Vermessungen, die wichtigen Details fehlten (Dicke und Durchmesser der Stangen, etc.) und er mit den Metallbauern erst die komplette Konstruktion (bis zur letzten Schraube) neu durch diskutieren musste.

Auch die Schuhsuche gestaltete sich schwierig. Nach einigen Fehlversuchen, haben wir einen richtigen Schuhladen mit angeschlossener Schuhfabrik gefunden. Zum Glück führte er keine Plastikschuhe, die die Kinder hier oft tragen. So haben wir uns für die Einführung robuster Lederschuhe, die der Besitzer selbst herstellt und darauf ein Jahr Garantie gibt, entschieden und auch einen super Preis verhandeln können. Wir haben vereinbart, dass er auch in Zukunft Ausrüstungspartner der Schule ist und so die Schuhmodelle regelmäßig am Lager hält und Diprendra so vielleicht auch noch einen besseren Preis machen kann.

Es wurde dämmrig, als wir Kushma verlassen haben. Also mussten wir die Abkürzung nehmen: mit den Motorrädern über die Hängebrücke. Shishir hat die Räder nacheinander darüber gefahren. Wir sind gelaufen. Für Mica war das wohl die größte Überwindung, da er so groß und das Geländer wohl auf Nepales*innen ausgelegt ist. Man muss sich immer recht stark gegen das Geländer lehnen, wenn ein Motorrad vorbeifahren will. Das kann etwas furchteinflößend sein. Trotzdem wunderschön da oben in der Luft.

Wieder zu Hause angekommen berichteten wir Dipendra von unserem vollen aber doch erfolgreichen Tag. Wir machten ein bisschen Buchhaltung, aßen kurz und diskutierten noch bis 23:30 Uhr, wie viele Arbeitstage wohl benötigt werden, um die Renovierungsarbeiten und die Gewächshäuser fertig zu stellen, was der Transport des Metalls kosten wird und wie wir den morgigen Tag am sinnvollsten organisieren. Wir waren am Ende alle sehr platt.

Die Schul-Schneiderei hat ab heute geöffnet

Bereits gegen 09:30 Uhr traf der Schneider ein. Wir kennen ihn bereits und haben uns gefreut, ihn zu sehen. Er hat es sich erst einmal “bequem” gemacht, eine Matte im Schatten platziert und seine handbetriebene Nähmaschine vor sich gestellt. Kurz darauf trafen die ersten Kinder ein, stellten sich zum Durchzählen auf und hatten heute das Glück, dass gleich zwei Geburtstagskinder Süßes für alle dabei hatten. Also schmiss der Englischlehrer eine Techno-Version von Happy Birthday an und alle sangen. Manchmal haben wir das Gefühl, man müsste uns mal kurz kneifen, weil es sich leicht surreal anfühlt, was wir so erleben.

Später kam Klasse für Klasse zu uns und wir sollten ihre Kleidung checken, um zu entscheiden, was noch reparabel ist und wo neue Kleidung notwendig wäre. Darin sind wir zum Glück schon etwas geübt. Sie stehen dann vor uns, schauen uns fragend an und freuen sich, wenn sie aufgrund kurzer Kleidungsreparatur erst 15 Minuten später zurück in die Klasse müssen. Es gibt diesmal einige neue Kleidungsstücke anzufertigen, was natürlich schon einiges an Arbeit für den Schneider bedeutet: Hosen, Röcke und Hemden werden per Hand genäht. Wir zogen los und besorgten also schon einmal über 20 Meter Stoff.


Der Dorfrat tagte ebenfalls heute in der kleinen Versammlungshalle, deren Bau wir beim letzten Aufenthalt mitfinanziert haben. Es sollte um 11:00 Uhr losgehen. Um 11:30 kam die erste Vertreterin an: die Frauenvertreterin. Erst gegen 12:30 ging es dann wirklich los. Ein Sozialarbeiter, der Bürgermeister und ein paar aus dem Gemeinderat (?) diskutierten, wer eine Ziege bekommen sollte und welche Familien die neuen Nutzer*innen der drei geplanten Gewächshäuser werden sollen. Irgendwann war die Entscheidung getroffen und feierlich verkündet. Das ging viel schneller als letztes Mal.


Durch die wenigen Tage, die wir diesmal haben, ist es alles etwas stressig. Wir versuchen immer mal wieder alles durchzurechnen, aber es dauert meist nur kurz, bis es wieder etwas zu diskutieren gibt, Tee aus dem Nichts serviert wird, Personen Blumen schenken und Reden möchten (auf nepalesisch, natürlich) oder noch einmal das Feld für die Gewächshäuser zu vermessen ist. Feldvermessung ist Micas und Dipendras Spezialgebiet. Milena hat heute nur kurz angemerkt, dass sie nicht glaubt, dass sich das ausgeht und es wird wohl auf ein weiteres Mal Vermessen hinauslaufen. Am Abend sollten wir uns noch kurz die 500 Orangenpflanzen ansehen, die Dipendra, Gita und ihre Kinder während Covid gepflanzt haben. Es gibt also immer was zu tun. Wir ruhen uns dann aus, wenn wir wieder zurück in Kathmandu (oder auch zurück in Europa) sind… ;-)

Ziegenkauf - auf dem Motorrad unterwegs durchs Land

Unser Samstag startete um 6:15 Uhr, da wir um 7:00 Uhr losfahren wollten: der Ziegenkauf stand an. Wir fuhren dann um 8:00 Uhr auch tatsächlich los.

Mica als Mitfahrer des Englischlehrers, Milena war bei Dipendra auf dem Motorradhintersitz. Die Fahrt durch Limithana und anliegende Orte war schon etwas abenteuerlich, aber auch irgendwie schön. Über eine Hängebrücke ging es auch - für Mica fahrend, Milena musste (bzw. aus ihrer Sicht wohl eher durfte) laufen, da Dipendra noch unerfahren auf dem Zweirad ist.

Wir fuhren von Hof zu Hof und von Ziegenhirte zu Ziegenhirte und versuchten Ziegen aufzutreiben. Das war schwieriger als gedacht. Nicht zu jung, aber auch nicht zu alt. Weiblich. Robust. Tja, es dauerte also nicht, wie zunächst angenommen, zwei, sondern sieben Stunden, bis wir 19 Ziegen beisammen hatten. Wir verhandelten viel, machten allerdings auch zwischendurch mal ein paar Stopps und aßen bei Dipendras Schwester ein spätes Dal Bhat (normalerweise wird das gegen 9:00 Ihr gegessen, wir aßen um 12:30 Uhr).

Wir kamen zufrieden nach Hause. “Mission completed”, hat Dipendra nach der letzten Ziege gesagt. Die Ziegen werden alle am Dienstag mit dem Jeep abgeholt und zur Schule gebracht. Dort werden wir sie per Los an ausgewählte Familien verteilen, denn manche Ziegen sind schon geschlechtsreif, andere sogar schwanger und andere kommen erst seit Kurzem ohne Muttermilch klar.

Den Nachmittag verbrachten wir mit Feldvermessungen und Detailplanungen für die Gewächshäuser und saßen etwas auf unserem Teppich vor dem Haus. Es wird wohl 3 neue Gewächshäuser geben, sodass drei weitere Familien am Projekt teilnehmen und demnächst mit dem Pflanzen starten können. Welche Familien Gewächshäuser beziehungsweise Ziegen bekommen, wird morgen im Dorfrat entschieden.

Willkommensblumen

Heute war unser erster voller Tag in Limithana. Wir sind spät aufgestanden, weil die Nacht im wahrsten Sinne des Wortes hart war. Also waren die ersten Schüler*innen bereits da, als wir aus der Höhle krochen.

Freitags (= quasi unser Samstag) ist hier immer nur von 10:00 bis 13:00 Uhr Schule. Vor der Schule haben einige Volleyball gespielt - das ist neu für uns hier, aber es freut uns sehr zu sehen, wie viel Spaß sie daran haben und wie gut sie das machen. Wer auf dem Weg zur Schule nicht vollständig eingestaubt wurde, ist es spätestens beim Volleyballspiel.

Nach der Aufstellung aller Schulkinder zum Durchzählen, Singen, Zahnsauberkeit prüfen und gemeinsamen Quizzen, gingen alle in die Klassen. Kurz darauf wurden wir Klasse für Klasse in der Willkommenszeremonie von jedem einzelnen Kind begrüßt. Es gab sehr viele Blumen. Mica bekam ein bisschen mehr Blumenketten und Milena übernahm vor allem die Blumenketten, die nicht über seinen Kopf passten. Den roten Tikka-Punkt gab es diesmal nur von einer Person, was uns ziemlich entgegen kam. Wir stellen uns in der Handhabung einer vollständig roten Stirn meist recht ungeschickt an und haben die Farbe dann nach kurzer Zeit überall.

Nach der Schule gingen wir in die Planung über. Den Zustand aller Klassenzimmer sichten, Gewächshäuser auf dem Feld vermessen & Material kalkulieren, Einkäufe planen, den Ziegenkauf organisieren. Gita und Dipendra wären gerne noch mit uns für einen Tagesausflug zu einem Tempel, aber dafür ist diesmal keine Zeit. Auf der anderen Seite haben wir viel Zeit hier, die wir mit Warten verbringen. Das Leben in Limithana (und vielleicht auch in Nepal generell) enthält viele Leerläufe. Zeit zum Reden, Teetrinken, herumsitzen und Beos beobachten. Es fordert uns (als Europäer*innen), die ihr Leben zeitlich optimiert haben, durchaus heraus. Je schneller unser Leben in der Heimat wird, desto langsamer kommt uns das Leben hier vor.

Zu den brennenden Waldstücken um Limithana herum haben wir nun neue Infos: 90% der Brände sind „gewollte“ Brandrodungen, um schneller an frisch nachwachsendes Grad zur Viehzucht zu kommen. Wobei meist unklar ist, wer das Feuer letztlich gelegt hatte. Das muss dann meist im Nachgang aufgeklärt werden. Für die Natur (Rauchentwicklung, nistende Vögel) ist dabei meist leider überhaupt kein Verständnis vorhanden, meinte der Englischlehrer der Schule.